Die Sache mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum

Ein Lebensmittel, wie sollte es im Idealfall sein? Meiner Meinung nach am Besten unbehandelt, aus biologischer Landwirtschaft und frisch. Ganz frisch, damit alle wichtigen Vitamine und Inhaltsstoffe noch drin sind und ich optimal versorgt bin. In einer Zeit, in der immer weniger selbst gekocht wird und die Landwirtschaft immer weiter ausgelagert wird, ist das jedoch Utopie. Unser Frühkraut kommt aus Mazedonien, die Tomaten aus Marokko und die Äpfel aus Peru. Aus diesem Grund wurde gerade bei abgepackten Lebensmitteln das Mindesthaltbarkeitsdatum immer wichtiger. Es soll immer alles verfügbar sein, das führt zu längeren Lagerzeiten und das wiederum zu einem notwendigen Mindesthaltbarkeitsdatum.

Für die Produzenten ist das Mindesthaltbarkeitsdatum zwar relevant um sich rechtlich abzusichern, falls ein Produkt doch mal zu schimmeln beginnen sollte, der Endverbraucher muss jedoch wissen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht das tatsächliche Verfallsdatum ist. Nicht nur bei Privaten, sondern auch bei Lebensmittelgeschäften wandern Produkte nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum sofort in den Müll. Der Hauptgrund dafür ist eine falsche Bedarfsplanung. Es darf nicht passieren, dass ein gewisses Produkt einfach nicht mehr lagernd ist. Der Kunde hat sich daran gewöhnt, jederzeit alles kaufen zu können. Saisonalität oder schwierige Lagerung ist schon lange kein Grund mehr um auf etwas verzichten zu müssen.


Einige haben bereits erkannt, wie viele noch genießbare Lebensmittel nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum in den Müll wandern. Logische Konsequenz davon ist die Rettung dieser. Dieses Phänomen nennt sich „dumpster diving“ und befindet sich leider in einem juristischen Graubereich. Beim „dumpster diving“ geht es darum, nach Ladenschluss weggeworfene Lebensmittel aus dem Müll zu fischen. Zugegeben, es ist nicht die angenehmste aller Beschäftigungen aber definitv eine sinnvolle. Ich selbst habe mich schon des Öfteren auf den Weg gemacht um Lebensmittel zu retten und an manchen Tagen konnten wir nicht einmal alle Lebensmittel heimtragen, da es so viele waren. Wie es nunmal so ist, gab es aber auch Tage, an denen wir nur mit einem kleinen Säckchen nach Hause kamen. Die mitgenommenen Lebenmittel waren aber immer genießbar obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum immer überschritten war. Warum ist es aber verboten, noch genießbare Lebenmittel zu retten? Es klingt kontrovers. Fakt ist aber, sobald das Lebensmittel in die Mülltonne wandert hat es den Besitzer gewechselt und gehört nun der Müllabfuhr.

Warum ist es notwendig das Gesetz zu brechen, nur um noch genießbare Lebensmittel aus dem Müll zu retten? In unserer Überflussgesellschaft spielt es offenbar keine Rolle, ob wir Ressourcen, die wir definitiv zum Überleben brauchen, einfach wegschmeißen. Warum auch nicht, wir können es uns scheinbar ja auch leisten. 1980 gab der Durchschnittsösterreicher 24 % seines Gehalts für Lebensmittel aus, 2007 waren es nur noch 11 %. Es wird also klar, wir schreiben dem Essen nicht mehr so viel Wertigkeit zu. Heutzutage ist es wichtiger, einen Netflix Account zu haben, im Fitnessstudio Mitglied zu sein und jährlich in den Urlaub zu fahren. Der Wandel der Zeit und der Gesellschaft geht auf Kosten unserer Ressourcen.

Durch diese Entwicklung haben Lebenmittel viel an ihrem ursprünglichen Wert verloren und sind aufgrund der geringen Kosten ganz leicht ersetzbar geworden. Da der Wert eines Produkts für die meisten Menschen am Geldwert bemessen wird, haben wir auch so wenig Probleme damit, ein Lebensmittel, bei dem zwar das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, ungeöffnet in die Tonne zu werfen.

Für die Produktion von Lebensmitteln werden vor allem Zeit und Wasser benötigt. Bei der Herstellung werden wir immer effizienter. Der Arbeitsaufwand, um ein Kilo Brot zu produzieren sinkt durch die Mechanisierung und die Effizienzsteigerung. Aber die Menge des benötigten Wassers bleibt gleich. Um eine Scheibe Käse zu produzieren, werden 100 Liter virtuelles Wasser benötigt. Virtuelles Wasser bedeutet, so viel Wasser wird bei der gesamten Produktion benötigt. Wasser zählt aber definitv zu den endlichen Ressourcen und jedes Kind weiß: Kein Wasser, kein Leben.

Wir kaufen also eine Packung Käse. Dieser beginnt zu schimmeln, da wir in den Tagen darauf keine Lust auf Käse haben und daher wandert er irgendwann in den Müll. De facto wandert aber nicht eine Packung Käse in den Müll sondern mit ihr 1250 Liter Wasser, die zur Produktion von 250 Gramm Käse benötigt wurden. Ganz zu schweigen von der Verpackung, die somit auch keinen Zweck hatte und einfach eingespart hätte werden können. Es ist also nicht immer „nicht so tragisch“, sondern es ist eine klar definierte und unbedachte Verschwendung von Ressourcen, die uns nur limitiert zur Verfügung stehen.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum macht es uns leicht, mit einem Blick stellen wir fest, dass ein Produkt nicht mehr genießbar ist, oder doch nicht?  Unter uns gesagt, so einfach ist es natürlich nicht! Viele Lebensmittel sind in einer Schutzatmosphäre verpackt um ein schnelles Verderben zu verhindern. Diese Schutzatmosphäre ist aber nichts Gifitges. Es ist einfach Stickstoff oder Sauerstoff, sprich Luft, aber in einer anderen Zusammensetzung. Ist die Verpackung einmal geöffnet, so hat das Mindesthaltbarkeitsdatum sowieso keine Bedeutung mehr und das Lebensmittel kann auch schon früher verderben. Es ist aber nicht so als würde die Schutzatomosphäre nur eine bestimmte Zeit lang wirken. Vor allem Milchprodukte sind in der Verpackung so keimfrei, dass im Grunde nichts sein kann. Der Prozess des Verderbens kann gar nicht einsetzen weil die benötigten Keime dazu fehlen. Ja klar, mit der Zeit schafft es ein natürliches Produkt aber auch ohne der Hilfe dieser Keime schlecht zu werden, jedoch nicht innerhalb von Stunden oder Tagen. Ein Joghurt ist in der Regel noch 10 Tage nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum lecker und der Verzehr daher absolut unbedenklich.

Wir haben also die Kontrolle darüber, ob wir ein Lebenmittel genießbar finden oder nicht, abgegeben und anstelle davon das gesetzliche Mindesthaltbarkeitsdatum aktzeptiert. Wir vertrauen unseren senorischen Fähigkeiten also nicht mehr, dafür aber einem Qualitätskontrolleur einer x-beliebigen Firma. Wir könnten es aber eindeutig schmecken, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist oder nicht. Zum Beispiel Schlagobers, dieser schmeckt einfach nicht mehr süß, wenn er nicht mehr für den menschlichen Verzehr geeigent ist oder das Ei, es beginnt zu stinken, wenn es ungenießbar ist, vorher ist es noch genießbar. So einfach ist das.

Warum denken wir überhaupt, dass immer alles sofort ungenießbar ist, wir können unsere Lebensmittel ja optimal lagern. Die Kälte des Kühlschranks unterbindet das rasche Keimwachstum und alles wird keimfrei bzw. in Schutzatmosphäre verpackt. Trotzdem steigt die Zahl der weggeworfenen Lebensmittel immer weiter an.


Am Besten wäre es also, wenn ein Lebensmittel ewig hält und somit nicht die Gefahr besteht, dass es schlecht wird. Die Foodtrends bewegen sich aber immer mehr in die andere Richtung. Die Lebensmittel sollen bei der Verarbeitung so frisch wie möglich oder gar nicht mehr verarbeitet sein. Sehr angenehm, ganz ehrlich, wen interessiert schon Dosenfutter den lieben langen Tag. Frische Lebensmittel sind allerdings empfindlicher als bereits konservierte Lebensmittel. Eine Gurke wird nicht ein paar Wochen warten mit dem Schimmeln bis wir dazukommen sie zu essen. Die Bedarfsplanung wird also immer wichtiger. So und jetzt stehen wir vor dem Dilemma: Einerseits habe ich keine Zeit jeden Tag frische Lebenmittel einzukaufen und diese zuzubereiten und andererseits will ich immer frische Lebensmittel haben.

Wir werden uns also wohl oder übel unser bequemes „das ist sicher schon schlecht“ in ein „kosten wir mal lieber“ umwandeln müssen. Saisonale Lebensmittel halten länger, weil sie noch frischer sind und regionale Lebenmittel konnten am Feld/Baum/Strauch ausreifen und haben aufgrund der Herkunft keine langen und holprigen Transporte hinter sich, was sich positiv auf Geschmack und Haltbarkeit auswirkt.

Was ich damit sagen will ist, dass ich ein Mindesthaltbarkeitsdatum aus Sicht der Lebensmittelkonzerne schon verstehen kann, einfach aus rechtlichen Gründen. Dennoch darf das nicht bedeuten, dass wir unsere Verantwortlichkeit mit dem Mindesthalbarkeitsdatum abgeben dürfen. Dafür sind unsere Lebensmittel einfach zu wertvoll. Nur weil der Handel den Produkten nicht die Wertigkeit gibt die sie eigentlich besitzen, darf das für uns nicht bedeuteten, dass Lebensmittel wertlos sind. Die Ressourcen unserer Erde sind nicht unendlich und für die Produktion von Lebensmittel wird einfach zu viel an Arbeit, Wasser und Boden benötigt um leichtfertig damit umzugehen. Wir sollten diesem Thema wieder etwas sensibler begegnen.

©nakokoblog

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